„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ – Karfreitag: Ein stiller Ruf nach Hoffnung
Karfreitag – ein Tag der Stille, der Trauer. Und doch auch ein Tag tiefer Liebe. Kein anderer Tag bewegt uns Christen so sehr wie dieser: Der Blick auf das Kreuz, auf das Leiden, die Kreuzigung und den Tod Jesu. Wir erinnern uns an das große Opfer, das Jesus für uns getragen hat. Die Karfreitagsliturgie ist einzigartig – nicht nur im Kirchenjahr, sondern auch in ihrer inneren Tiefe.
„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mt 27,46) – dieser Schrei Jesu am Kreuz trifft uns ins Herz. Es ist der Moment größter Verlassenheit. Gerade in dieser Klage liegt eine tiefe Wahrheit: Jesus kennt das Dunkel, das menschliche Ringen mit Gott. Auch in unserem Leid, unseren Zweifeln und in der täglichen Realität unseres Lebens ist Gott uns nah. Die oft grausame Realität zeigt sich uns in vielen Formen: als wirtschaftliche Not, politische Unsicherheit, Krieg, zerbrochene Beziehungen, Mutlosigkeit, Arbeitslosigkeit, Hoffnungs-losigkeit. All das gehört zu unserem Leben. Und genau in diesen Lebenssituationen ist Gott gegenwärtig. Denn das letzte Wort Jesu ist ein Wort des Vertrauens: Vater, in Deine Hände lege ich mein Leben zurück. Ein Gott, der mit uns in unserer Realität lebt, für uns leidet und den Mut der Auferstehung in uns weckt.
Viele Gläubige beginnen den Karfreitag mit dem Kreuzweg – in 14 Stationen werden wir angeleitet, Jesus zu begleiten von seiner Verurteilung bis zu seiner Grablegung. Über steile Hügel, manchmal über viele Kilometer hinweg sind die Kreuzwegstationen verteilt. Wie für die Pilger auf der Via Dolorosa in Jerusalem, so ist auch unser Mitgehen heute ein stilles Zeichen der Verbundenheit und des Mitfühlens mit Jesus und mit den vielen Menschen, die heute schwer leiden.
Ein besonderer Moment ist die Karfreitagsliturgie um 15 Uhr – zur Todesstunde Jesu. Sie unterscheidet sich von allen anderen Gottesdiensten: ohne Gloria, ohne Wandlung, ohne äußeren Glanz. Stattdessen Stille, das Hören der Passion Kreuzverehrung, die großen Fürbitten. Eine Feier, die unter die Haut geht – weil sie uns ins Zentrum unseres Glaubens führt: Im Tod ist das Leben – und die Hoffnung auf neues Leben. An Karfreitag dürfen wir vertrauensvoll auf den Ostersieg hoffen.
Karfreitag ist ein Fast- und Abstinenztag. Ein Tag des Verzichts – nicht aus Pflicht, sondern aus einem inneren Bedürfnis. Ein Tag, sich auf das Wesentliche zu besinnen: Was bedeutet das Kreuz für mich heute? das Kreuz Jesu und mein eigenes Kreuz? Wie lässt sich mein Leben im Licht seines Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung hoffnungsvoll deuten?
Am Ende dieses stillen Tages steht Jesu letzte, tröstende Bitte: „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist!“ (Lk 23,46) Nicht Verzweiflung ist das letzte Wort, sondern Vertrauen, die vollkommene Hingabe an den Vater. Der Übergang vom Dunkel zum Licht, von Trauer zur Hoffnung, vom Tod zum Leben.
Die katholische Kirche feiert alle 25 Jahre ein Heiliges Jahr – 2025 ist für uns ein Jubiläumsjahr. Es trägt das Motto: „Pilger der Hoffnung.“ Das Heilige Jahr schenkt uns neue Hoffnung – für mich, für meine Familie, für unsere Kirche und unsere Gesellschaft.
Möge dieser Karfreitag uns tiefer in das Geheimnis der Liebe Gottes führen – und uns vorbereiten auf das Licht von Ostern.
Ihr
Pfarrer Pater Peter