Impuls zum 4. Fastensonntag
Ich mag Rosa! Die Farbe. Die mit dem leicht kitschigen Ruf. Die, in der man Babykleidung für neugeborene Mädchen kauft. Die, die nie so richtig ernst genommen und mit Verniedlichung gleichgesetzt wird. Die, die vielleicht als schwächlich gilt.
Die liturgische Farbe des heutigen 4. Fastensonntags ist Rosa. Der Priester trägt im Gottesdienst heute ein rosa Gewand. Damit wird das schwere, dunkle Violett der Fastenzeit unterbrochen.
Denn der 4. Fastensonntag heißt LAETARE. Laetare heißt übersetzt: „Freue dich!“ Es sind die lateinischen Eingangsworte von Jes 66,10: „Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart.“
Die Fastenzeit wird nicht nur von den Sonntagen unterbrochen, die aus den 40 Tagen herausgenommen sind, sondern auch von Laetare. Am 4. Fastensonntag feiern wir Bergfest. Wir haben die Hälfte der Fastenzeit überschritten – man kann auch sagen: geschafft. Und das ist ein Grund zur Freude.
Die Kirche handhabt das ziemlich gut. Sie weiß, dass unsere menschlichen Möglichkeiten beschränkt sind. Sie weiß, dass sie uns nicht zu viel zumuten, dass sie uns nicht überfordern darf, dass wir als Menschen immer in Balance bleiben müssen. Sie weiß, dass uns die Fastenzeit mürbe machen wird, wenn wir das Gefühl haben, ihr nicht gerecht werden zu können. Deshalb kennt sie Atempausen, Ausgleich und Entspannung. Auch in der Fastenzeit.
Freuen sollen wir uns an Laetare. Auf Ostern. Das liturgische Weiß am Horizon des Osterfestes ist an Laetare in das Violett der Bußzeit sozusagen reingemischt und ergibt: das wunderbare, weiche, liebliche Rosa. Ist das nicht schön? Mit ein wenig weißer Farbe erhält das Violett eine neue, eine erträglichere Dimension. Der Tupfer Weiß im Violett verändert das Gesamtbild.
Und mir gefällt diese Mischung. Mir gefällt diese Praxis, in das Harte und Anstrengende zwischendrin ein wenig Sanftheit, Nachsicht und Erleichterung zu spritzen.
Wenn ich einen Tropfen Sirup ins Wasser gebe, verändert er es. Wenn ich ein Licht in einem dunklen Zimmer entzünde, wird der ganze Raum zu einem anderen.
Das Beste ist, dass wir täglich selbst ein wenig Weiß in das Violett unseres Lebens spritzen und es rosa färben können:
Es sind die fünf Minuten Auszeit an einem ereignisreichen Tag. Die sonntägliche Stunde für Gott in einer Woche voller Verpflichtungen. Es ist die Eine, die mich anlächelt, während alle anderen sauer auf mich sind. Vielleicht ist es aber auch das bunte Halstuch zum schwarzen Kleid am Tag einer Beerdigung, eine Blume auf dem Tisch in einem kahlen Büroraum, das Klavierstück im Radio an einem regnerischen Tag.
Es ist phänomenal, wie ein paar versprühte Tröpfchen Duft einen ganzen Raum in Wohlgeruch verwandeln können. Das Kleine hat Macht und Wirkung. Vermutlich mehr, als wir es uns vorstellen. Und es macht das Schwere erträglich(er). Es sagt: Freue dich! Das Gute, Schöne, Leichte, Freudvolle ist nicht nur nahe – es ist schon da.
LAETARE!
Sonja Gravius